Der bürgerliche Beamte Johann Georg Nitschke wird 1693 von Kurfürst und Erzbischof Lothar Franz von Schönborn als Kammerdiener angestellt. Von Anfang an erledigt er alle Finanzangelegenheiten des Kurfürsten. Er gilt als engste Vertrauensperson des Erzbischofs. Unter Lothar Franz von Schönborn erreicht Nitschke großen Wohlstand. Nitzschke verfügte allein über ein privates Guthaben von 30 Tausend Gulden beim Fürsten. Der Schönborn’sche Weinbesitz im Rheingau wird ihm dazu als Sicherheit übergeben – taxiert mit 1.350 Gulden. Nitschke versteht es vortrefflich, sich durch private Dienste für den Kurfürsten unabkömmlich zu machen und wird 1715 in den Adelsstand gehoben. Seine offizielle Stellung als Kabinettsekretär spiegelt nur zum Teil seinen erheblichen Einfluss wieder. Der Bau- und Besitzleidenschaft seines Kurfürsten eifert er nach: 1701/02 lässt er einen großen Mainzer Barockbau, den Wambolder Hof (die heutige Lothar-Passage), als sein Stadtpalais errichten. 

1727 erwirbt er den Hof in Nierstein. Damit verfügt Nitschke nun auch über ein eigenes Weingut und einen Landsitz in Stadtnähe. Nitschke vererbt es innerhalb seiner Familie, bis diese 1741 an die Freiin Sophie von Harstall verkauft. Das Wappen ihrer Familie ziert einen Kamin und ist vom Garten aus gesehen über der Tür des linken Flügels angebracht. Sophie von Harstall hat Finanzprobleme, und das Gut wird schon 1752 von Freiherr Carl Alexander von Sternenfels ersteigert.

Der nächste Eigentümer, der Beamte Johann Caspar Cunzmann, ersteigert den Hof 1770, nachdem der bankrotte Vorbesitzer von Sternenfels durch seine zahlreichen Gläubiger zum Verkauf gezwungen wurde. Cunzmann selbst schreibt, dass sich zahlreiche »Liebhaber« über mehrere Monate hinweg Bietgefechte für den Hof mit seinem Garten geliefert haben. Durch nachträgliche Störmanöver der von Sternenfels wird er gezwungen, eine »Nachweisung der Unumstößlichkeit«, in der er die Rechtmäßigkeit des Erwerbs verteidigt, zu verfassen.

Johann Caspar Cunzmann tritt 1742 als Jurist in den pfälzischen Staatsdienst. In fast 50 Dienstjahren gelingt es ihm, zu einer der wichtigsten Regierungspersönlichkeiten des Mannheimer Hofes aufzusteigen – zuständig für alle kirchlichen, Lehn- und Rechtsangelegenheiten. Er avanciert vom bürgerlichen Kriminalreferendarius zum »Wirklich Geheimen Staatsrat« und erhält 1790 von Kurfürst Karl Theodor den Reichsfreiherrenstand. In Mannheim erwirbt er in den Jahren 1751 bis 1765 das Areal für sein Wohnhaus und errichtet das »Palais-Cunzmann«, heutiger Sitz des Reiss-Engelhorn Museums und der Stiftung Curt-Engelhorn. Das Palais ist eines der wenigen noch erhaltenen Bürgerhäuser Mannheims. Die »Nachweis und der Unumstößlickeit« zeigt Cunzmanns juristische und politische Fähigkeiten, aber auch seinen Schreibstil. In seinen »Denkwürdigkeiten« schreibt sein Zeitgenosse, der Kabinettssekretär Stephan von Stengel, über »die verworrene undeutsche Schreibart Cunzmanns des Erzrabulisten«.

Cunzmann stirbt 1795. Sein Besitz, hauptsächlich Lehnsgüter, wird durch die napoleonischen Kriege schwer geschädigt. 1797 beklagt Cunzmanns Schwiegersohn von Weiler zwecks Erlangung der schwiegerväterlichen »Lehensprobststelle« die beträchtlichen Verluste der Niersteiner Weinvorräte »des besten dortigen Gewächs«. Das Gut in Nierstein geht im frühen 19. Jahrhundert von der Familie Cunzmann auf die Familien Schlender und Ernst von Deidesheimer und schließlich in den Besitzer der Mainzer Kaufmannsfamilie Fritzdorff über. Noch heute ist deren Name mit der sogenannten Fritzenhölle als Niersteiner Weinbergsname präsent.
 

Weitere Informationen

   Vetiefungsstudie zur Geschichte und Baugeschichte, Auszug III | Dr. habil. C. A. Wimmer

    Vetiefungsstudie zur Geschichte und Baugeschichte, Auszug VI | Dr. habil. C. A. Wimmer

 

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